Erster Prozess wegen KriegsverbrechenRussischer Soldat zu lebenslanger Haft verurteilt
Erstmals steht in der Ukraine ein russischer Armeeangehöriger wegen Kriegsverbrechen vor Gericht. Der 21-jährige Mann aus Sibirien ist nun schuldig gesprochen worden.

Im ersten ukrainischen Kriegsverbrecherprozess wurde ein 21 Jahre alter russischer Soldat zu lebenslanger Haft verurteilt. Das Gericht in Kiew sah es am Montag nach einem Geständnis des Mannes als erwiesen an, dass der Panzersoldat nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine am 28. Februar einen unbewaffneten 62-Jährigen Zivilisten erschoss. Nach dem weltweiten Entsetzen über russische Gräueltaten in der Ukraine war dies der erste vor Gericht verhandelte Fall. Der Beschuldigte hat nun 30 Tage Zeit, um Berufung einzulegen. Noch ist das Urteil nicht rechtskräftig.
Die Staatsanwaltschaft hatte in dem Prozess, der in der vergangenen Woche begann, lebenslange Haft beantragt. Die Verteidigung plädierte auf Freispruch, weil der Soldat einen Befehl ausgeführt habe. Es ist der erste Fall eines Kriegsverbrechens, der in der Ukraine seit Beginn der russischen Invasion vor Gericht verhandelt wurde. Der international viel beachtete Prozess wirft auch ein Schlaglicht auf das brutale Vorgehen der vor drei Monaten von Kremlchef Wladimir Putin in die Ukraine geschickten russischen Truppen.
Weil Sch. nur einen Befehl ausgeführt haben will, forderte sein Verteidiger Viktor Owsjannikow Freispruch. «Er hat einen Befehl ausgeführt, wenngleich es ein verbrecherischer Befehl war», sagte Owsjannikow.
Die Staatsanwaltschaft liess das nicht gelten. «Das ist nur einer von vielen Fällen, die sich nach dem 24. Februar zugetragen haben. Eine Frau hat ihren Mann verloren, Kinder ihren Vater, Enkel ihren Grossvater», sagte Staatsanwalt Andrij Sinjuk. Auch Witwe Schelipowa forderte lebenslange Haft für den jungen Russen, betonte aber zugleich: «Wenn er gegen einen von unseren Mariupoler Verteidigern ausgetauscht wird, dann bin ich nicht dagegen.»
Mutter schrieb Brief an Präsident Putin
Aus dem Asow-Stahlwerk in der Hafenstadt Mariupol sind inzwischen nach Moskauer Angaben mehr als 2400 ukrainische Kämpfer in russische Gefangenschaft gekommen. Russland stellt sie als stramme Neonazis dar, die selbst Kriegsverbrechen begangen hätten. Aus dem Kreml hiess es kurz vor der Urteilsverkündigung nur, Moskau suche nach Möglichkeiten, Wadim Sch. zu helfen.
Für die Ukraine aber ist das erst der Beginn der Aufarbeitung zahlloser Kriegsverbrechen seit Beginn der russischen Invasion vor drei Monaten. Aus den nordöstlichen Gebieten Kiew, Tschernihiw und Sumy haben sich die russischen Truppen inzwischen zurückgezogen. Nach ihrem Abzug lösten Berichte über Gräueltaten weltweit Entsetzen aus. Mehr als 400 Tote wurden allein in dem Kiewer Vorort Butscha gefunden. Auch in den Vororten Irpin und Borodjanka sind viele Verbrechen dokumentiert.
In einem kürzlich veröffentlichten Interview des kremlkritischen russischen Portals Meduza sagte die Mutter des nun verurteilten Wadim Sch., sie habe überhaupt erst vom Krieg in der Ukraine erfahren, als sie am 1. März von der Gefangenschaft ihres Sohnes hörte. Sie erzählte zudem, dass sie inzwischen viele Eltern kenne, deren Kinder ebenfalls in ukrainischer Gefangenschaft seien. Daraufhin habe sie Putin geschrieben, weil sie ihren Sohn zurückhaben wolle. Eine Antwort aber bekam sie nicht.
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