Kolumne TribüneScheffel
Wer sein Licht unter den Scheffel stellt, ist das Gegenteil eines Angebers. Solche Typen hat «Landbote»-Kolumnist Bernard Thurnheer einige kennen gelernt. Sie sind ihm sympathisch.

Man soll sein Licht nicht unter den Scheffel stellen. Scheffel? Ja, der Satz, und vor allem dieses Wort, wirkt ziemlich antiquiert. Worum geht es? Ein Scheffel war ein normierter Bottich, mit dem eine bestimmte Getreidemenge abgemessen wurde, und dies tatsächlich schon vor über 2000 Jahren. Stülpte man ihn über ein Licht, so wurde es dunkel.
Laut Bibel forderte Jesus seine Anhänger auf, ihr Licht nicht unter den Scheffel zu stellen, also ihren Glauben nicht zu verheimlichen. In der heutigen Zeit, in der sich fast jeder auf Facebook oder Instagram in einer besseren Version seiner selbst präsentiert, sind Menschen, die ihr Licht unter den Scheffel stellen, plötzlich selten und … sympathisch.
«Das habe ich doch nicht sagen können. Sieger wurde nämlich … ich!»
Zwei besonders hübsche Beispiele kommen mir aus meiner Sportreporterkarriere in den Sinn. In den 70er-Jahren bestand die Sportabteilung des Schweizer Radios aus nur sechs Leuten. Ich war einer der vier in Zürich Stationierten.
Im Radiostudio Basel wirkte Hermann Weber, der gleichzeitig als TV-Quizmaster zu den berühmtesten Schweizern gehörte. In Bern hielt Walo Däpp die Stellung, ein begeisterter Orientierungsläufer, der es eines Tages fertigbrachte, dass wir über die Schweizer Meisterschaften in seiner Lieblingssportart berichteten. Natürlich delegierten wir als Reporter ihn, den Fachmann.
Walo brachte die Stimmung des Anlasses sehr gut rüber, doch die Berichterstattung krankte an einem groben Fehler: Nie wurde erwähnt, wer denn nun Schweizer Meister geworden war. «Das habe ich doch nicht sagen können», rechtfertigte er sich. «Sieger wurde nämlich … ich!»
Eine Art Antithese zum Slogan
Oft kreuzten sich meine Wege als junger Sportreporter mit denjenigen von Freddy Wettstein, der später Sportchef des Zürcher «Tages-Anzeigers» wurde. Ab und zu verfasste er für den Lokalteil auch einen Matchbericht des Teams seines Wohnorts Küsnacht. Dies war auch dann einmal der Fall, als es eine deftige Niederlage (1:9 oder so) absetzte. Die Küsnachter Verteidigung war an diesem Tag löchrig wie ein Emmentaler Käse gewesen.
Der Artikel schloss mit dem schönen Satz: «Ich hätte nicht der Torhüter des FC Küsnacht sein wollen!» Genau das war er aber in dem Spiel gewesen, wie Sie bestimmt schon geahnt haben. Okay, dass er sein Licht in diesem Fall unter den Scheffel stellte, gereichte ihm ja nicht unbedingt zum Nachteil …
Das Licht unter den Scheffel zu stellen ist eine Art Antithese zum Slogan «Tue Gutes und rede darüber». Das gute Tun verliert viel von seinem Wert, wenn man sich davon eine Belohnung in Form von Applaus, Bewunderung oder gar eines positiven Werbeeffekts verspricht. Es gibt sie aber auch heute noch, die Leute, die Gutes tun, ohne davon viel Aufheben zu machen. Sie stellen ihr Licht also weiterhin unter den Scheffel, und dies dünkt mich plötzlich alles andere als altmodisch!
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