Kolumne StadtverbessererScheibenkleister, Scheibenkleister
Die Stadt Winterthur wollte Autonome hart bestrafen, indem sie ihnen ihre alten Asbesttüren in Rechnung stellte. Kann diese Strategie auch gegen andere Klimakleber helfen?

Wie erteilt man lästigen Plakat-Kleisterern eine Lektion? Indem man ihnen Freiheitsstrafen von einem Jahr androht. So passiert am Montag im Prozess gegen sechs Aktivisten aus der linken Szene. Die Logik dahinter: Die Türen der beklebten Verteilerkästen enthielten Asbest. Darum habe man sie nicht reinigen können, sondern musste sie teuer gegen neue austauschen. Hoher Schaden gleich hohe Strafe.
Für eine noch höhere Strafe hätten die Stadtwerk-Türen aus Swarovski-Kristallen oder Fabergé-Eiern bestehen müssen.
Wäre das Basler Gericht der Winterthurer Logik gefolgt, hätte man hierzulande bei künftigen Strassenprojekten immer auch ein paar Asbestfasern in den Flüsterbelag eingearbeitet. Das hätte allfällige Klimakleber, die sich auf die Strasse leimen, zwar nicht stoppen können. Aber immerhin hätte ihnen die Stadt noch höhere Kosten in Rechnung stellen können, weil für die Befreiung der Aktivisten eine Spezialfirma mit Astronautenanzügen aufgeboten würde.
Für eine noch höhere Strafforderung hätten die Stadtwerk-Türen aus Swarovski-Kristallen oder Fabergé-Eiern bestehen müssen.
Blöderweise ist Asbest seit 1989 verboten. «Es wäre mir nie in den Sinn gekommen, dass in der Stadt Winterthur Dinge, die asbesthaltig sind, einfach so rumstehen», sagte der Richter. Und zeigte der Winterthurer Rechnung damit juristisch den Vogel.
Apropos Vogel: Dass unpraktische Dinge teuer zu ersetzen sind, erfuhr man vor einigen Jahren auch am Berliner Hauptbahnhof. Krähen liessen aus Langeweile Schrauben auf die gläsernen Deckenplatten fallen und brachten sie so zum Bersten. Weil die Scheiben allesamt Spezialanfertigungen waren, betrug der Schaden pro Element 10’000 Euro.
Die Vögel konnte die Deutsche Bahn nicht in Haftung nehmen. Und auch Stadtwerk muss seine Ersatz-Türen selbst bezahlen. Scheibenkleister. Aber irgendwie schön zu wissen, dass man für veraltete Infrastruktur nicht auch noch belohnt wird.
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