#StandUp4DemocracySchweizer Prominente von links bis rechts kämpfen für die Demokratie
Heute wird ein nationaler Appell für die Erhaltung der Demokratie lanciert, weil sie in Zeiten des Krieges nicht selbstverständlich sei.
Sie sind Politiker, Unternehmerinnen, Künstlerinnen, Sänger. Prominente aus allen Teilen und Bereichen des Landes. Und sie alle, 55 insgesamt, stehen hinter dem Appell «Gemeinsam für die Demokratie». Sie stehen jetzt, gerade jetzt ein für unsere Demokratie und gegen die Tyrannei. 7 von ihnen sagen hier, was im Moment auf dem Spiel steht und warum sie beim Appell mitgemacht haben.
Eveline Widmer-Schlumpf, Alt-Bundesrätin

«Es ist wichtig, sich auf die eigene Demokratie zu besinnen. Gerade heute, da sich viele Staaten als Demokratien bezeichnen, aber keine demokratischen Werte leben.
In der Schweiz tut eine gewisse Sensibilisierung sicher auch nicht schlecht. Seit einigen Jahren beobachte ich in der Politik und auch anderswo eine Tendenz, Diskussionen nur mit Schlagworten zu führen. Das hängt mit unserer Art der Informationsbeschaffung zusammen, viele Leute lesen nur noch die Titelzeile und nicht mehr den Inhalt. Die Folge davon ist, dass wir nur noch Schlagwort-Diskussionen führen.
Dabei lebt unsere Demokratie von der Debatte, von der echten Debatte. Einander zuhören, auf die Argumente der anderen Seite eingehen und die Möglichkeit zulassen, dass die oder der andere recht haben könnte – das ist der Kern unserer Demokratie. Diesen Kern müssen wir pflegen.»
Lukas Reimann, SVP-Nationalrat, Präsident der Auns

«Das ist nicht ein Thema wie jedes andere. Hier geht es um den Erhalt unserer Demokratie, um den Erhalt unserer demokratischen Lebensweise. Das geht über die individuelle politische Einstellung hinaus. Wenn wir uns nicht mal mehr auf so etwas einigen können, dann weiss ich auch nicht.
Ich selber war öfter in der Ukraine, ich kenne das Land. Eine Reise war besonders eindrücklich. Als frisch gewählter Nationalrat fuhr ich 2012 mit meinem Nationalratskollegen Sebastian Frehner mit dem Auto durch das ganze Land. Lwiw, Kiew, Czernowitz, runter nach Odessa und Mariupol. Wunderschöne Städte. Wir haben über die Zürich-Trams gelacht, die dort herumfahren, und uns mit vielen jungen, aufstrebenden Menschen unterhalten. Es war damals schon nicht alles nur gut, es gab den Sprachenstreit, erste Schüsse auf dem Maidan. Heute denke ich: Wenn die Ukraine so eine Demokratie wie unsere hätte, mit mehreren Sprachen, föderal organisiert, dann wäre vielleicht alles anders gekommen. Wer weiss. Umso wichtiger ist es, dass wir hier bei uns zur Demokratie Sorge tragen.»
Michael Hermann, Politologe, Mitinitiator des Appells

«Schon vor dem Krieg haben wir in einer losen Gruppe darüber gesprochen, dass wir etwas für die Demokratie machen müssen. Dass sie unter Druck steht, von anderen Systemen, von totalitären Tendenzen. Als der Krieg ausbrach, wussten wir, jetzt muss etwas passieren. In einer Woche haben wir zwei Kundgebungen organisiert, es kamen sehr viele Menschen. Viele auch, von denen ich es nicht erwartet hätte. Es war ein sehr positives Erlebnis in einem traurigen Kontext. Erstaunlich war, wie breit das politische Spektrum der Menschen war, die kamen. Die linke Stadtpräsidentin hielt eine Rede, der rechte Stadtrat stand ganz vorne und hörte ergriffen zu.
Was im Moment geschieht, ist grösser als die politische Haltung des Einzelnen. Darum haben wir als Gruppe diesen Appell lanciert, wir möchten damit den Geist der Kundgebungen weiterleben lassen. Es ist ein Text ohne harte Forderungen, es ist ein Text mit symbolischer Kraft, hinter den sich viele Menschen stellen können. In dieser Frage sollte es keine Gräben geben, sondern für einmal vor allem Gemeinsamkeiten.

«Der Krieg macht uns alle ohnmächtig. Es ist darum gerade jetzt der richtige Moment, um ein starkes Signal für die Demokratie zu setzen. Das ist nicht nur unsere Tradition, unsere Demokratie hält uns auch als Gesellschaft zusammen. Wir bringen uns ein, wir gestalten zusammen, wir halten konträre Meinungen aus, wir lernen Toleranz, wir machen mit – gerade in einer direkten Demokratie. All dem müssen wir Sorge tragen!
In anderen Demokratien werden Bürgerinnen und Bürger nur gelegentlich befragt, in autoritären Regimes überhaupt nicht. Es ist darum ein grosses Privileg, in unserem System der direkten Demokratie zu leben. Das ist für die Gesellschaft, aber auch die Wirtschaft wichtig.»
Beni Thurnheer, TV-Moderator

«Ich unterschreibe selten solche Aufrufe, eigentlich gar nie. Ich bin nie gegen etwas, immer für etwas. Und darum habe ich hier eine Ausnahme gemacht: Hier geht es um eine Kundgebung für etwas, für unsere Demokratie, für einen Grundpfeiler unserer Gesellschaft. Unser ganzes schönes Leben basiert darauf, dass wir in einem demokratischen Staat leben dürfen.
Das wurde in den vergangenen fünfzig Jahren zu einem Selbstläufer, es wurde selbstverständlich. Demokratie bei schönem Wetter. Jetzt hat das Wetter umgeschlagen, es stürmt und rüttelt, und darum ist es gut, macht man jetzt etwas Werbung für die Demokratie. Es gibt ja auch sonst für alles Werbung, warum nicht für die Demokratie, das ist doch etwas vom Wichtigsten! In den letzten Jahren haben wir es uns bequem gemacht, auch während der Pandemie. Wenn gewisse Leute sagen, die Schweiz sei eine Diktatur, dann zeigt das doch, dass der Begriff der Demokratie total ausgehöhlt ist. Das müssen wir ändern.»
Sasha Volkov, Ukrainischer Verein der Schweiz

«Die Solidarität, die aus einem solchen Appell spricht, ist wichtig und schön. Für mich als Ukrainer ist es aber wichtig, dass aus Appellen wie diesen auch konkrete Taten entstehen. Die Schweiz könnte die Ukraine noch besser unterstützen, als sie das heute schon tut. Durch noch intelligentere und wirksamere Sanktionen gegen das Regime von Putin – es gibt immer noch zu viel Schwarzgeld, das die Russen zur Verfügung haben. Und mit der Hilfe beim Wiederaufbau, der heute schon beginnen müsste. Ich hatte kürzlich einen Freund am Telefon, der Stromlinien baut. Der braucht heute Kredite, die ihm keine Bank geben will, der braucht heute Versicherungen gegen das erhöhte Risiko im Kriegsgebiet. Hier könnte die Schweiz eine wichtige Rolle spielen. Appelle sind gut! Konkrete Taten sind besser.»
Christoph Sigrist, Pfarrer Grossmünster Zürich

«Das Zürcher Grossmünster ist die Hüterin des gemeinsamen Erbes unserer Demokratie. Schon seit Jahrhunderten! Vor fünfhundert Jahren haben sich die Reformatoren um Huldrych Zwingli mit den Ratsherren hier zu Disputationen getroffen. Zwingli war der Sohn eines Toggenburger Gemeindeammanns, er hat die Demokratie in seiner Urform, der Alpgenossenschaft, aufgesogen! Vor zweihundert Jahren fand im Grossmünster die Tagsatzung der Eidgenossenschaft statt, die Kirche wurde zum symbolischen Bundeshaus, zur Stätte der Demokratie. In unserer Geschichte sind die Kirche und die Politik immer wieder in Resonanz zueinander getreten, haben Energieräume geöffnet, Energien freigesetzt.
Die Botschaft ist bis heute die gleiche geblieben: Lasst uns den Frieden schützen auf einer Welt, die wir nicht besitzen, sondern gestalten und bewahren. Was uns im Moment alle verbindet, ist die Ohnmacht der Hilflosigkeit. Das war stark zu spüren, als im Februar 900 Menschen zum interreligiösen Gebet ins Grossmünster kamen und miteinander beteten. Jetzt ist der Krieg da, hab ich gedacht, man hat die Angst gespürt, aber auch, wie die Menschen aus all diesen verschiedenen Religionen in ihren Gebetsrhythmen Halt gefunden haben. Es war ein starker Moment.»
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