Kanon der QuarantäneSelbst Atheisten spüren hier das Höllenfeuer
Um Mozarts «Requiem» wird bis heute gestritten. Unbestritten dagegen: Die Totenmesse ist ein Meisterwerk, das selbst in Videospielen auftaucht.

Eigentlich kommt Mozarts «Requiem» ohne genauere Bezeichnung aus. Es sollte seine einzige Totenmesse bleiben, auch gleich seine eigene, munkeln manche. Mozart starb, bevor er das Werk – in D-Dur – hatte zu Ende komponieren können. Ein Werk, das heute als eines der grössten und beliebtesten der klassischen Musik gilt.
Bereits seine Entstehung zu Lebzeiten Mozarts gestaltete sich eigenwillig, erst recht dann die Fertigstellung des Stücks nach seinem Tod. 1791 erhielt Mozart den Auftrag, das Requiem zu komponieren. Der Auftraggeber wollte unter allen Umständen anonym bleiben, später stellte sich heraus: Es war Graf Franz Walsegg-Stuppach. Die Hälfte des Gehalts gab es im Voraus. Mozart begann zu schreiben. Doch es kamen ihm diverse andere Engagements dazwischen, unter anderem die Premiere seiner «Zauberflöte». Danach erkrankte er.
Gerüchte und Mythen
Es überkamen ihn Fieberschübe, unter denen er sich dennoch wieder dem Requiem widmete. Ob er wusste, dass es bald mit ihm zu Ende ginge? Darum ranken sich Legenden. Im Film «Amadeus» von Milos Forman ist gar ein Giftmord im Spiel.
Bekannt ist: Freunde kamen vorbei, um einige bereits fortgeschrittenere Passagen zu singen – Mozart gab die Altstimme –, und er verfasste für weitere Teile Notizen und Skizzen. Dann, im «Lacrimosa», bricht seine Handschrift ab, das zeigt das Autograf, die persönliche Niederschrift Mozarts, die heute im Besitz der österreichischen Nationalbibliothek ist. Am 5. Dezember 1791 starb der Meister im Alter von 35 Jahren, verschuldet.
Es musste jemand her, der das Requiem zu Ende schreiben würde, befand Mozarts Frau Constanze, ansonsten müsste sie die Anzahlung zurückerstatten. Einige scheiterten an der Aufgabe, dann richtete es einer von Mozarts Schülern, Franz Xaver Süssmayer – vorerst – und legte die erste komplette Fassung der Messe vor.
Seither wird gestritten, wie passend Süssmayers Vervollständigungen sind. Es wurde nachgebessert, Mozarts Fragmente neu analysiert. Einige zweifelten gar die Echtheit jener Teile an, die als von Mozart verfasst galten. «Esel» schimpfte daraufhin Beethoven einen der Kritiker.
Nützlich für Videospiele
Doch taucht man erst einmal in den Klang dieses Requiems ein, sind die Querelen schnell vergessen. «Wer wird nicht von der glühendsten Andacht, von der heiligsten Verzückung ergriffen, die daraus hervorstrahlt?», um es in den Worten des Dichters E.T.A. Hoffmann auszudrücken. Die Antwort: alle.
Unvorstellbar, dass jemand nicht bereits vom flehend atmenden «Introitus» ergriffen wäre. Wenn das «Dies Irae» in seinem monumentalen Schrecken ertönt, lässt diese Messe selbst Atheisten die Hitze des Höllenfeuers spüren.
Mozarts «Requiem» hören wir immer wieder, in Filmen wie «Eyes Wide Shut» oder in Cafés, in Werbespots und Videospielen.
Ob es Mozart freuen würde, sein Werk so zu hören? Wir wissen es nicht. Nur eines scheint gewiss: Der Streit darum, wie viel Mozart im Requiem steckt, wird weitergehen, unbeirrt von der Schönheit der Messe, fast als könnte der Komponist selbst keine Ruhe mit seinem unvollendeten Werk finden.
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