Sie finden Wohnen wichtiger als Gärtnern
Die Befürworter der Umzonung im Vogelsang haben drei gute Argumente parat: Die Wohnungsnot, ihre gemeinnützigen Ziele und die Tatsache, dass viele der verdrängten Pünten, leer stehen.
Die Püntiker, die sich am Vogelsang gegen die Vertreibung aus ihrem Gartenparadies wehren, appellieren mit Slogans wie «Natur schützen» und «Kein Wachstum um jeden Preis» an die Emotionen der Stimmberechtigten. Ganz anders die Befürworter der Abstimmungsvorlage: Sie vertrauen auf die Vernunft der Urnengänger und auf die Überzeugungskraft breiter Allianzen und langer Argumentarien. Wollte man in der biblischen Analogie bleiben, müsste man wohl sagen, sie haben vom Baum der Erkenntnis genascht.
Es gibt keine «Püntennot»
An einer sachlich geführten Informationsveranstaltung der Befürworter vielen heute denn auch nur einmal markige Worte. Sie kamen von Doris Sutter, die einerseits Präsidentin des Dachverbands der gemeinnützigen Wohnbauträger ist und andererseits im Vorstand der Gemeinnützigen Wohnbaugenossenschaft (GWG) sitzt, die ihre Siedlung im Vogelsang abreissen und zu Lasten der Püntiker durch eine grössere ersetzen will. «Es ist gegen jede Verhältnismässigkeit, dass wegen zwei Dutzend Pünten 120 Genossenschaftswohnungen nicht entstehen können», sagte Sutter. Und sie belegte die Aussage sogleich mit Zahlen: In Winterthur betrage die Leerstandsziffer 0,16 Prozent. Würde man dieses Verhältnis auf die 3033 Pünten in der Stadt umrechnen, so dürften nur 5 Pünten leer stehen. Allein im Vogelsang aber stünden deren 40 leer. «Wir haben keine Püntennot, wir haben eine Wohnungsnot. Und Wohnen ist immer noch wichtiger als Gärtnern», sagte Sutter.Hinter dem Erweiterungsprojekt der GWG steht eine breite politische Allianz. Im Gemeinderat hiessen im Frühling 50 Parlamentarier und sämtliche Fraktionen die Umzonung des Püntenstreifens in eine Wohnzone gut, bei zwei Enthaltungen. Am gestrigen Anlass des Pro-Komitees vertraten Christoph Magnusson (FDP) die bürgerliche, Christoph Baumann (SP) die linke Ratsseite. Der stadtnahe Standort sei ideal für eine Verdichtung, sagte Magnusson. «Wir wollen lieber einen dicht bebauten Vogelsang und dafür ein grünes Gotzenwil als umgekehrt.» Baumann erwähnte die in den letzten Jahre stark gestiegenen Mieten in Winterthur. Es sei wichtig, dass der Staat Gegensteuer gebe und den Genossenschaften Bauland zur Verfügung stelle.Diese Argumente stechen aus Sicht der Befürworter vor allem darum, weil durch die Umzonung niemand ernstlich zu Schaden komme. Denn der obere, dicht genutzte Streifen der Pünten bleibt in jedem Fall erhalten und jene im unteren Streifen, die ihren Garten aufgeben müssen, erhalten unweit am Waldrand Ersatz. Wegen einer Höhenbeschränkung für die Neubauten wird den Häuserbesitzern weiter oben am Hang nicht die Aussicht verbaut. Und für die heutigen Mieter, die sich die neuen Wohnungen nicht leisten können, will die GWG in ihren über 1000 Wohnungen und Häusern Ersatz suchen. Zudem überlegt sich die Genossenschaft den Bau von «Budgetwohnungen» mit kleineren Grundrissen, als sie heute üblich sind.Das Pro-Komitee verspricht bei einem Ja an der Urne eine echte Mustersiedlung: Die 110 bis 130 Wohnungen mit zwischen 2,5 und 5,5 Zimmern sollen zur Kostenmiete angeboten werden – also ganz ohne Gewinnabschöpfung. Das Bauprojekt wird in einem Wettbewerb ermittelt, hohen Ansprüchen an die Energieeffizienz genügen, ein Veranstaltungslokal und einen attraktiven Grünraum bieten. Die GWG erwägt sogar, den Garten mit Büschen und Bäumen zu bepflanzen, die essbare Beeren und Früchte abwerfen, um so «den Püntengedanken zu erhalten».
Vorteile für die Einfallsachse
Eine gewisse Breitenwirkung beim Stimmvolk dürfen sich die Befürworter von den geplanten Änderungen an der Vogelsangstrasse versprechen. Die dortigen Parkplätze sollen abgeräumt und unterirdisch ersetzt werden. Die Fahrbahn würde dadurch breiter und für Velofahrer sicherer. Gegen diese lange Liste von Argumenten steht die Vertreibung der Püntiker aus ihrem Paradies.
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