Reisen mit Öko-CharmeSo grün ist Deutschland
Nachhaltige Destinationen und Touren: in unserm nördlichen Nachbarland macht verantwortungsvolles Reisen Boden gut. Ziele und Anbieter finden sich auch abseits der grossen Ferienregionen, zum Beispiel im Ruhrgebiet oder im Frankenland.

Die schönsten Tage des Jahres stehen nicht mehr unter dem Motto schneller, höher, weiter. Das neue Ferien-Credo heisst: Weniger ist mehr, langsamer ist besser, Grün ist Trumpf. Viele Regionen und Städte in Deutschland vollziehen die Wende und präsentieren sich nachhaltig, ökologisch, verantwortungsvoll. Darunter überraschende Newcomer wie Bottrop oder Münster, die auf der touristischen Landkarte (noch) nicht die Hauptrolle spielen. Sieben Tipps.
Berlin: Touren fürs gute Gewissen

Die Hauptstadt macht auf Grün und Öko. «In Berlin gibt es viele Menschen, die die Welt verändern wollen. Aber wie sollst Du sie als Tourist finden?», fragt Arianna Nicoletti. Die Antwort darauf ist ihr Unternehmen Circular Economy Tours, das verschiedene Tripps in Berlin anbietet. So gibt es Nachhaltigkeits-Touren, die in Hinterhöfe, zu Secondhand-Designerinnen und Zero-Waste-Cafés führen. Die Touristen landen in Bauerngärten mitten in der City, wo Kräuter neben abgestellten Velos wachsen. Wer daran anknüpfen will, sollte das Futurium in der Nähe des Hauptbahnhofs besuchen, in dem es um grosse Fragen der Menschheit geht: Wie können wir die Welt erhalten, verbessern, erneuern? Was muss sich für eine gute Zukunft ändern?
Ruhrgebiet: Städte mit Fairtrade-Siegel

Der Ruhrpott mit seinen fünf Millionen Einwohnern ist eines der grössten Ballungsgebiete in Europa. Was nur wenige wissen: Zwei Drittel der Städte zwischen Bochum und Oberhausen tragen das Fairtrade-Siegel. Sie fördern fair gehandelte Produkte. Den meisten schmeckt das, man kann sich selbst überzeugen und die «Faire Schokolade Essen» probieren. In Mühlheim haben sich 30 Händler und 20 Gastro-Betriebe verpflichtet, mindestens zwei faire Produkte anzubieten. Die gute Tat wirkt aber auch bis in die für den Ruhrpott so typischen Fussballplätze: So erhielten Grundschüler in Bottrop fair gehandelte Bälle zum Kicken.
Weitere Informationen: faire-metropole-ruhr.de
Ruhrgebiet: Hausboot zum Treten
Für Luxus steht das Ruhrgebiet eher nicht. Die Menschen in dieser Region mit so besonderen Umständen waren schon immer kreativ. Und das gilt mittlerweile auch für viele Unterkünften, die Ruhrpott-Charme und Nachhaltigkeit vereinen. Wer es extrem mag, kann das Parkhotel in Bottrop ausprobieren: minimalistisch eingerichtete, ehemalige Kanalrohre. In Mühlheim wird es eine Spur gemütlicher. Dort stehen Bauwagen, die über Bett, Dusche, WC und Küchenzeile verfügen.
Für einen kleinen Ausflug kann man sich ein Kanu schnappen und auf der Ruhr paddeln. Noch mehr Wasser-Feeling verleihen die Haus-Tretboote: Man muss sportlich sein, auf den Velo-Sätteln Platz nehmen und treten, um vorwärtszukommen. Die grüne Fahrt geht von Mülheim nach Essen. Man passiert ein paar schmucke Altstädte und endet am Baldeneysee.
Weitere Informationen: ruhr-tourismus.de
Münster: Alles dreht sich ums Rad

Die Stadt in Nordrhein-Westfalen ist die Velo-Kapitale in Deutschland. Münsters offizielle Statistik weist 20 Millionen Velofahrer im vergangenen Jahr aus. Vor der Pandemie waren es sogar noch mehr. Münster dreht schon lange das grosse Rad. Bereits in den 1960er-Jahren beschlossen die Stadt-Väter die Vorfahrt fürs Velo, weil sie erkannten, dass der Autoverkehr sonst die Strassen sprengen würde. Heute cruisen Touristen mit Citybikes durch die hübsche und historische Altstadt. In den schmalen Gassen findet einer der schönsten Weihnachtsmärkte der Region statt. Das Hansaviertel mit seinen Kneipen zieht vor allem junge Leute an. Lohnenswert ist aber auch ein Ausflug ins Vogelschutzgebiet Rieselfelder oder in den Salinenpark Rheine.
Weitere Informationen: stadt-muenster.de
Düsseldorf: Fassade mit 30'000 Pflanzen

Wer an die Landeshauptstadt von Nordrhein-Westfalen denkt, denkt an die Toten Hosen, die Fortuna, den Rhein, den Fernsehturm, die futuristischen Bauten oder die schicke Königsallee, die wahrscheinlich teuerste Einkaufsmeile Deutschlands. Aber mittlerweile hat Düsseldorf einen grünen Weg eingeschlagen. Prestige-Objekt ist der Kö-Bogen im Zentrum der City. Die dortige Markthalle erhielt ein begehbares, begrüntes Dach. Den gegenüberliegenden Gebäudekomplex verschluckt eine acht Kilometer lange Hainbuchenhecke mit 30’000 Pflanzen, die stufenweise über die Fassade wachsen. Die verantwortlichen Architekten sehen darin eine grosse Chance, Städte auf Nachhaltigkeit zu trimmen: «Die Hecken verbessern das Mikroklima der Stadt – das Grün schirmt im Sommer die Sonnenstrahlen ab und reduziert den innerstädtischen Wärmeeffekt, bindet Kohlendioxid, speichert Feuchtigkeit, dämpft Lärm und fördert die Biodiversität.»
Weitere Informationen: duesseldorf.de
Franken: Longhorns und Bio-Bier

Die Fränkische Schweiz trägt den Titel «Öko-Region». Die Franken nehmen die Sache ernst und bemühen sich zum Beispiel um den Fortbestand der Bio-Dinkel-Vollkornnudel. Es wurden auch Höfe gerettet, auf denen Selbstversorger-Gemeinschaften heute Bio-Produkte anbauen. Der Öko-Hopfen vom Bauernhof landet beim Brauer, der Bio-Bier herstellt. Und es gibt sogar Bio-Whiskey, hinter dem Anne Leichtenstern steht. Zusammen mit ihrem Mann hat sie zugleich die nach eigenen Angaben grösste Texas-Longhorn-Zucht in Europa aufgebaut. Die Rinder mit den riesigen Hörnern kennt man sonst nur aus Wildwest-Filmen. «Sie fühlen sich aber auch auf saftigen fränkischen Wiesen wohl», erzählt die Bäuerin. Auch bei den Rindern kommen die Themen Bio und Nachhaltigkeit an erster Stelle. Das Fleisch geht an Restaurants in der Nähe. Wer will, kann aber auch im Hofladen in Prebitz einkaufen.
Weitere Informationen: oekomodellregionen.bayern
Nürnberg: Bio am Christkindlesmarkt

Die fränkische Grossstadt setzt noch einen drauf und bezeichnet sich unbescheiden als «Bio-Metropole». Vor 20 Jahren fasste der Stadtrat den Beschluss, ökologisch korrekte Landwirtschaft und Produkte zu fördern. Seit vielen Jahren gehört Nürnberg auch zum Netzwerk der «Bio-Städte». Laut Verwaltung liegt die Quote an Bio-Lebensmitteln in Kitas bei 75 Prozent. Auf dem berühmten Christkindlesmarkt haben demnach mehr als die Hälfte aller Händler mindestens ein Bio-Produkt im Angebot. Auch in Nürnberg lohnt der Blick über die Grenzen: Mit Hersbruck, Berching und Spalt liegen in unmittelbarer Umgebung gleich drei Cittaslow-Städte, die für eine nachhaltige und behutsame Stadtentwicklung stehen. So gibt es etwa Kissen auf Park- und Ruhebänken, die den Besucher animieren sollen, länger zu verweilen und die Umgebung bewusster wahrzunehmen.
Weitere Informationen: die-biometropole.de
Eine Zusammenarbeit der SonntagsZeitung mit der Deutschen Zentrale für Tourismus.
Fehler gefunden?Jetzt melden.