Spektakel von höchster Intensität
Mit einer brillanten Leistung sicherte sich Stan Wawrinka den zweiten Grand-Slam-Titel seiner Karriere. Der Romand schlug im French-Open-Final Novak Djokovic 4:6, 6:4, 6:3, 6:4.

Als die Arbeit getan war, stand Stan Wawrinka fast etwas verlegen und verloren auf dem Siegerpodest. An den Spieler, der mit Autorität und Dominanz dem Favoriten Novak Djokovic die Grenzen aufgezeigt hatte, erinnerte nicht mehr viel. Wawrinka zollte dem Gegner Respekt, dankte den Organisatoren und seinem Staff. «Es war ein unglaublicher Match in einer fantastischen Atmosphäre», sagte er den 15 000 Zuschauern, die sich im Verlauf des Finals mehr und mehr hatten begeistern lassen vom Waadtländer. Von seiner Aggressivität im positiven Sinne und seiner Fähigkeit, aus allen Lagen spektakuläre Schläge zu produzieren.
Wie schon bei seinem ersten Grand-Slam-Titel beim Australian Open 2014 trat er im Final ohne Zurückhaltung auf. Er schlug doppelt so viele Winner wie Djokovic und machte trotzdem nur einige Fehler mehr. Er trat dem Weltranglistenersten, der spätestens nach seinem Viertelfinalerfolg gegen den neunfachen French-Open-Champion Rafael Nadal zum grossen Turnierfavoriten geworden war, entschieden entgegen und liess sich durch nichts aus der Bahn werfen.
Das war nicht erst im Final, sondern schon im gesamten Turnier nötig, um als erst zweiter Schweizer die Coupe des Mousquetaires entgegennehmen zu können. 2009 hatte Roger Federer in Paris triumphiert, ebenfalls an einem 7. Juni, und damit seinen Karriere-Grand-Slam perfekt gemacht. Auf diesen muss Djokovic, der vor der Niederlage gegen Wawrinka 28 Matches in Serie und alle wichtigen Titel in diesem Jahr gewonnen hatte, nun weiter warten.
Die plötzliche Wende
Dabei hatte der Final für den achtfachen Grand-Slam-Sieger aus Belgrad nahezu perfekt begonnen. Er machte einen sehr abgeklärten Eindruck, liess Wawrinka kaum einmal eine Möglichkeit, zum Gewinnschlag anzusetzen. Den ersten Satz sicherte er sich problemlos, auch wenn Wawrinka zwei Satzbälle abwehrte und die Chance besass, auf 5:5 auszugleichen. Djokovic wehrte die Breakmöglichkeit mit einem Service-Winner ab.
Die Souveränität von Djokovic war dann aber im zweiten Satz rasch dahin. Wawrinka spielte brillant auf. Alles stimmte in seinem Spiel. Er war aggressiv in der Vorwärtsbewegung sowie agil und geschickt in der Defensive. Djokovic stand dauernd unter Druck. «Ich habe versucht, taktisch zu spielen», erklärte Djokovic. «Aber er fand die Lösungen.» Entscheidend sei gewesen, dass er es geschafft habe, Djokovic immer weiter von der Grundlinie zurückzudrängen, meinte Wawrinka. «Es geht nur um 15, 20 Zentimeter, aber es verändert den Match.»
Djokovic widerstand dem zunehmenden Druck zunächst, wehrte im zweiten Umgang die ersten vier Breakbälle ab, den fünften, der gleichzeitig ein Satzball war, verwertete der Lausanner nach einem Rückhand-Fehler von Djokovic.
Immer wieder blickte der Favorit mit hochgezogenen Schultern und ungläubigem Blick zu seinen Coaches Boris Becker und Marian Vajda. Nach dem verlorenen zweiten Satz knallte er sein Racket auf den Boden und traf dabei beinahe einen Balljungen. Djokovic war nicht nur nervös, wie es Wawrinka vorausgesagt hatte, sondern auch zunehmend entnervt. Von den letzten 17 Partien gegen den Schweizer hatte er nur eine verloren, im Viertelfinal des Australian Open 2014, und trotzdem strahlte er tiefe Unsicherheit aus.
Ein Nervenspiel zum Schluss
Bis zum 1:1 im dritten Satz musste Djokovic seinem Gegner bei fünf Servicegames in Folge jeweils Breakbälle zugestehen. Er hatte keinen Moment, um durchzuatmen und sich zu sammeln, umso mehr, als Wawrinka bei 4:3 nochmals einen Gang hochschaltete: Unter anderem dank drei Gewinnschlägen sorgte er für das 5:3. Etwas später wehrte er den Breakball von Djokovic mit einem Vorhand-Winner ab. Es war ein Schweizer Spektakel von unglaublicher Intensität.
Djokovic wurde regelrecht überfahren. Daran änderte seine 3:0-Führung im vierten Satz nichts. Die Antwort von Wawrinka folgte prompt. Er kam auf 3:3 zurück und war danach im Nervenspiel der Schlussphase der mental Stärkere. Beim Stand von 4:4 wehrte «Stan the Man» drei Breakbälle am Stück ab und schaffte den Servicedurchbruch zum 5:4 mit einer herrlichen Rückhand der Linie entlang. Mit dem gleichen Schlag, seinem Paradeschlag, sicherte er sich wenige Minuten später auch den Titel.
Als erst 30. Spieler seit 1969 und dem Beginn der Open Era konnte Wawrinka mindestens zwei Grand-Slam-Titel gewinnen. Als schöner Nebeneffekt bekam er auch einen Check über 1,8 Millionen Euro und wird in der Weltrangliste heute auf Platz vier auftauchen. Als Teil der «Big Four» sieht er sich jedoch immer noch nicht: «Aber ich bin gut genug, um zwei Grand-Slam-Turniere zu gewinnen.»
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