Spanische Nordafrika-ExklaveTausende Migranten schwimmen nach Ceuta
Marokko hat faktisch die Kontrolle der Grenze eingestellt. Mindestens 5000 Menschen haben sich von der marokkanischen Stadt Fnideq aus zur Exklave Ceuta aufgemacht.
Angesichts der Ankunft Tausender Migranten aus Marokko haben die Behörden der spanischen Nordafrika-Exklave Ceuta begonnen, die Erwachsenen in einem Stadion unterzubringen. Sie sollten anschliessend nach Marokko zurückgebracht werden, berichtete die in Ceuta erscheinende Zeitung «El Faro» am Dienstag. Etwa 300 der Ankömmlinge seien bereits abgeschoben worden.
Nachdem Marokko die Kontrolle seiner Strände um die Exklave ausgesetzt hatte, waren seit Montagmorgen mindestens 5000 Menschen von Marokko aus an der Küste entlang durch das Mittelmeer zu der kleinen Exklave geschwommen – so viele wie noch nie zuvor an einem Tag.
Etwa 1500 von ihnen seien Minderjährige, berichtete «El Faro» und bezeichnete die Lage als chaotisch. Die marokkanische Polizei habe faktisch die Kontrolle der Grenze eingestellt, berichteten spanische Medien unter Berufung auf Augenzeugen in Fnideq. Mindestens einer der Migranten, bei denen es sich überwiegend um Marokkaner handle, sei ertrunken.
Die Zeitung «El País» schrieb, nie zuvor seien so viele Menschen auf einmal nach Ceuta gekommen. Es sei wie eine «Autobahn auf dem Meer». Die meisten der Ankommenden seien Männer, aber es seien auch Frauen und Familien dabei. Nach unbestätigten Medienberichten machten sich auch in der Stadt Tanger Migranten aus Ländern südlich der Sahara auf in Richtung Ceuta. Die spanische Regierung entsandte 200 zusätzliche Polizisten in die Exklave.
Viele Marokkaner haben ihre Arbeit und Einkommen verloren, seit Marokko die Grenze zu Ceuta und der anderen spanischen Nordafrika-Exklave Melilla im März 2020 wegen Corona geschlossen hat. Immer wieder demonstrierten Menschen für eine Öffnung der Grenze.

Als möglichen Grund für die Tatenlosigkeit der marokkanischen Polizei nannten spanische Medien die Verärgerung der Regierung in Rabat darüber, dass Spanien die medizinische Behandlung des Chefs der Unabhängigkeitsbewegung Polisario für Westsahara, Brahim Ghali, erlaubte. Er wird seit April in einem spanischen Krankenhaus wegen einer Corona-Erkrankung behandelt. Die Regierung in Madrid hatte humanitäre Gründe geltend gemacht.
Bereits am 26. April hatten 128 Marokkaner schwimmend Ceuta erreicht. Die meisten wurden bald darauf nach Marokko abgeschoben. Auch dieses Mal wurde erwartet, dass viele der Migranten bald nach Marokko zurückgebracht würden.
Behörden überfordert
Westsahara an der nordafrikanischen Atlantikküste war bis 1975 spanische Kolonie. Marokko kontrolliert grosse Teile des dünn besiedelten Gebiets an seiner Südgrenze. Die Polisario strebt nach Unabhängigkeit für die Westsahara. Marokko will der Region nur Autonomie zugestehen. Im Dezember hatte der damals bereits abgewählte, aber noch amtierende US-Präsident Donald Trump Marokkos Souveränität über Westsahara anerkannt. Seither nehmen die Spannungen zwischen Marokko und europäischen Ländern, die Trumps Entscheidung kritisiert hatten, zu. So rief Rabat Anfang Mai seine Botschafterin aus Berlin zurück.
Die Behörden in Ceuta mit etwa 85’000 Einwohnern wurden von der Massenflucht überwältigt. «Am Sonntag waren ungefähr 70 Menschen in dem Aufnahmelager für illegale Migranten. Ich weiss nicht, was wir mit den Menschen machen oder wo wir sie unterbringen sollen», zitierte die Zeitung einen Verantwortlichen in der Exklave.

SDA
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