Duell aus der FerneTrump, QAnon und ein netter Abend für Joe Biden
Statt eines direkten Schlagabtauschs gab es auf Wunsch des US-Präsidenten nur ein Fernduell. Das kam Biden zugute. Trump aber wurde von einer unerbittlichen Moderatorin in die Zange genommen.

Vielleicht hätte US-Präsident Donald Trump doch einem echten TV-Duell zustimmen sollen. Einem Format, bei dem der Moderator wieder alle Hände voll zu tun gehabt hätte, ihn davon abzuhalten, seinem Kontrahenten Joe Biden ins Wort zu fallen. Jetzt aber sitzt er im Pérez Art Museum in Miami und ist einer NBC-Moderatorin ausgeliefert, die sich offenbar vorgenommen hat, Trump nicht davonkommen zu lassen. Und in Philadelphia kann Joe Biden zur gleichen Zeit ungestört die Pläne für seine Präsidentschaft ausbreiten. Wenn er denn die Wahl gewinnt.
Knapp 2000 Kilometer liegen zwischen dem National Constitution Center in Philadelphia, wo Biden sich für den Sender ABC den Fragen aus dem Publikum stellt, und dem Pérez Art Museum, wo Donald Trump im gleichen Format im Sender NBC auftritt. Das hat den Vorteil, dass Trump Biden nicht ständig unterbrechen kann. Der US-Präsident hat mit dieser Taktik das erste TV-Duell der Kandidaten zur Farce werden lassen. Und Biden dazu verleitet, Trump ein trockenes «shut up, man», halt den Mund, Mann, zuzuzischeln.
Aber das ist jetzt gut zwei Wochen her. Dazwischen ist einiges passiert. Unter anderem lag Trump mit einer Corona-Infektion im Krankenhaus und wurde mit starken Medikamenten behandelt. Auch seine Frau Melania, sein jüngster Sohn Barron und über 30 andere Personen im und aus dem Umfeld des Weissen Hauses haben sich angesteckt.
Trump weiss nicht, wann er zuletzt getestet wurde
Das zweite TV-Duell sollte dann aus Sicherheitsgründen nur virtuell stattfinden. Trump hat das abgelehnt. Und jetzt muss er sich mit den unerbittlichen Fragen von Savannah Guthrie auseinandersetzen, einer früheren Anwältin, die auf Verhöre in Zivilverfahren spezialisiert war.
Sie will wissen, wann Trump eigentlich vor seiner Corona-Erkrankung zuletzt negativ getestet wurde. Es ist das erste Mal, dass Trump diese Frage gestellt werden kann. Und sie ist wichtig. Ist er etwa vor zwei Wochen ohne Test in die TV-Debatte mit Biden gegangen? War er ungetestet, als er am Samstag zuvor im Rosengarten des Weissen Hauses Amy Coney Barrett als seine Nominierte für das höchste Gericht der USA präsentierte? Eine Veranstaltung, bei der so gut wie niemand eine Maske trug und die der oberste Virenbekämpfer der USA, Anthony Fauci, kürzlich zum Super-Spreader-Event erklärt hat.
Trump windet sich. Das könne er nicht sagen, er werde ja ständig getestet, sagt Trump auf diverse Nachfragen. Er wird laut. Er wisse es einfach nicht! Ist er denn am Tag der TV-Debatte getestet worden? Das wisse er auch nicht, seine Ärzte müssten das wissen. Es geht so weiter. Schliesslich fragt Savannah Guthrie, ob er denn sagen könne, ob er jeden Tag getestet werde. Nein, das werde er nicht.
Wäre dies eine Gerichtsverhandlung mit Geschworenen, Gulthrie hätte gerade die Glaubwürdigkeit des Zeugen Trump massiv beschädigt.
400 Millionen Dollar Schulden
2000 Kilometer nördlich in Philadelphia hat Joe Biden einen netten Abend. Schon die Tonlage ist eine ganz andere. In Miami rumpelt und kracht es. In Philadelphia werden Themen diskutiert: Klimawandel, Fracking, Frauenrechte, soziale Ungleichheit. Und auch der Supreme Court.

Die grösste Kontroverse hat Biden in diesem Wahlkampf noch damit ausgelöst, dass er sich nicht festlegen will, ob er die bisherige Zahl von Sitzen am Supreme Court ausweiten will, wenn er gewinnt. Das ist eine Forderung vieler linker Demokraten, denen angesichts der Übermacht der Konservativen im höchsten Gericht angst und bange wird. Mit der zu erwartenden Bestätigung von Amy Coney Barrett im Senat würden sechs konservative Richter nur noch drei liberalen Richtern gegenüberstehen.
Biden beantwortet die Frage wieder nicht. Verspricht aber, dies noch vor der Wahl zu tun. Die Wählerinnen und Wähler «haben das Recht zu wissen, wo ich stehe, und sie haben das Recht zu wissen, wo ich stehe, bevor sie abstimmen», sagt Biden. Mehr wird von dem Abend nicht hängenbleiben. Muss aber auch nicht. Der direkte Trump/Biden-Vergleich macht auch so deutlich, wo die Unterschiede liegen. Biden kann es nur recht sein.
400 Millionen Dollar sind für Trump offenbar nicht mehr wert als exakt eine Erdnuss.
Zurück zu Trump. Guthrie arbeitet sich weiter an Trump ab. Seine wenig vorbildhafte Haltung zum Tragen von Masken, seine falsche Behauptung, ohne ihn wären schon zwei Millionen Menschen in den USA an Covid-19 gestorben. Und nicht nur gut 220’000. Alles nicht erfreulich für den Präsidenten, der dem kaum mehr entgegenzusetzen hat, als dass er früh schon die Einreise aus China verbieten liess.
Es geht auch um seine Finanzen. Warum er nur 750 Dollar Einkommenssteuer an den Bund zahlt? Das sei alles nicht wahr, sagt Trump. Lässt dann aber wie nebenher fallen, dass er wohl doch 400 Millionen Dollar Schulden habe. Diese Kredite aber, das seien nur «Gefälligkeiten für Institute, die mir Geld leihen wollten». Kein grosses Ding. «A peanut», sei das. 400 Millionen Dollar sind für Trump offenbar nicht mehr wert als exakt eine Erdnuss.
Trump fährt aus der Haut, Biden hört zu
Guthrie will auch wissen, wie Trump zur rechten Verschwörungsorganisation QAnon steht. Eine Gruppe, die glauben machen will, dass die Demokraten ein pädophiler satanischer Kult seien. Und Trump der Erlöser. Warum er nicht einfach sagt, dass das totaler Quatsch ist, will Guthrie wissen. Trump: «Ich weiss nichts über QAnon, ich weiss einfach nichts darüber.»
«Doch, wissen Sie», erwidert Guthrie. Er hat doch gerade erst einen Tweet von denen retweetet. Trump fährt aus der Haut. Warum sie nicht Biden solche Sachen frage, zu Antifa und zu den Brandschatzungen überall im Land? Guthrie: «Weil jetzt Sie hier vor mir sitzen.» –«Haha», lacht Trump. «Das ist süss.» Der Abend dürfte ihm nicht geschmeckt haben.
30 Sekunden hat Trump am Ende noch zu erklären, warum er eine zweite Chance verdient hat. Er hastet durch seine Liste der Superlativen: Bestes Militär, Super-Steuergeschenke für alle. Super-Jobs, Super-Wirtschaft. Und 2021 wird alles noch besser als jemals zuvor! Und Biden? Der steht auf, als die Sendung vorbei ist, und geht auf die Menschen zu, die mit Abstand zueinander im Halbrund vor ihm sitzen. Und er redet weiter, und er diskutiert. Er hört zu. So anders können Kandidaten sein.
Podium: Donald Trump ist der umstrittenste Politiker der Gegenwart. Im November stellt er sich der Wiederwahl. Wie sind seine Chancen? Wie ist seine Bilanz? Wird ihn Joe Biden schlagen? Und vor allem: Was bedeutet es für die USA und die Welt, wenn Trump vier weitere Jahre regiert? Darüber debattieren: Elisabeth Bronfen, Anglistikprofessorin an der Universität Zürich, Christof Münger, Ressortleiter International beim Tages-Anzeiger, Markus Somm, Publizist. Sonntag, 18. Oktober 2020, Kaufleuten, Pelikanplatz, Zürich. Türöffnung 19.00 Uhr, Beginn 20.00 Uhr. Ermässigter Eintritt mit Carte blanche.
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