Mallorca in Corona-Zeiten«Vom Ballermann hat das nichts mehr»
«Ein bisschen Versuchskaninchen»: Wie die deutschen Test-Urlauber ihre Lieblingsinsel erleben.

In den Strassen von Mallorcas bekanntester Urlaubsregion ist es immer noch ungewöhnlich ruhig. Die Glastüren der grossen Hotelanlagen sind noch mit Tüchern verhängt, in den Gartenanlagen stapeln sich die Liegestühle. Nur ganz vorne, eine Querstrasse hinter der berühmten Playa de Palma, tut sich etwas.
Vor dem Hotel Riu Concordia wartet eine Handvoll Journalisten auf die Ankunft der zweiten Ladung Urlauber aus Deutschland, die im Rahmen des Pilotprojektes der Balearenregierung testen sollen, wie Urlaub in Zeiten von Covid-19 aussehen kann.
Das Presseaufgebot steht in keinem Vergleich zu dem Spektakel, mit dem am Montagmorgen die ersten deutschen Touristen des Fliegers aus Düsseldorf empfangen wurden: Die am frühen Abend aus Frankfurt ankommenden Passagiere können den Bürgersteig zwischen Bus und Hotelstufen relativ unbehelligt zurücklegen.
«Fast so spannend wie der Mauerfall»
Es bildet sich trotzdem eine Schlange. Die Gäste werden nur einzeln zur Rezeption vorgelassen, wo bei jedem erneut mit Wärmebildkamera die Temperatur gemessen wird. In der Schlange wartet auch Olaf Gruss. Der Fussball- und Mallorca-Fan kommt für gewöhnlich während der grossen Fussballturniere nach Arenal, um die Spiele von hier aus zu verfolgen. Doch normal ist dieser Tage nichts: «Von Ballermann hat das hier ja überhaupt nichts mehr», urteilt der erfahrene Playa-de-Palma-Besucher.
Fliegen mit Maske, bargeldloses Bezahlen, eine Vielzahl auszufüllender Formulare und ein ungewohnter Hindernislauf am Flughafen von Palma hätten die Anreise anstrengend gemacht, sagt er. Beim von Tui und Inselregierung organisierten Probelauf dabei zu sein, bereut er trotzdem nicht: «Dass ich dazu gehöre, ist schon auch schön. Das ist ja fast so spannend wie der Mauerfall in Berlin.»
Fröhlich ist auch Luís Menor. Dem Besitzer des Restaurants «Mama Muú» ist schon von weitem anzusehen, dass er sich über die Wiedereröffnung des gegenüberliegenden Hotels freut. «Ich war heute Morgen da, um auch zu klatschen», sagt er. Dafür halte man sich doch gern an die strengen Hygienemassnahmen – die Speisekarte gibt es per QR-Code auf das Handy, das Besteck muss einzeln in Plastiktüten eingepackt werden, die Zahl der Tische ist deutlich reduziert, um den Mindestabstand einzuhalten.
«Sorge ist weit verbreitet»
Vorne an der Strandpromenade setzen Anuschka und Paul Lauterbach gerade zum Selfie an. Das Ehepaar aus Neuss hat bereits am Hotelpool ein Bier in der Sonne genossen. Im Speisesaal seien Mundschutz und Handschuhe Pflicht, am Büffet dürfe man sich nicht selbst bedienen, die gewünschten Speisen würden von einem Hotelmitarbeiter auf den Teller gefüllt. «Man fühlt sich schon ein bisschen als Versuchskaninchen», sagt Frau Lauterbach.
Der Start des Testprojekts mit den Deutschen eine knappe Woche vor der offiziellen Wiederöffnung der spanischen Grenzen löst auf Mallorca aber nicht nur Freude aus. Viele hätten Angst, dass es auf der Insel wegen der Besucher zu einem Wiederaufflammen der Coronavirus-Krise komme, sagte Biel Barceló, Leiter der Bürgerinitiative «Ciutat de s'Arenal».

«Ich spreche mit vielen darüber. Einige brauchen Einnahmen und freuen sich, dass der Tourismus nach drei Monaten wieder langsam in Gang kommt, klar. Aber die Sorge ist weit verbreitet», erzählt er der Deutschen Presse-Agentur. «Die Neuansteckungsraten sind in Deutschland aktuell höher als bei uns.»
Die Amüsiertempel des «Ballermanns» dürfen jedoch noch nicht wieder öffnen, weil die Regionalregierung entschieden hat, dass Discos und Clubs nach wie vor geschlossen bleiben. Für die Lauterbachs ist das kein Problem. «Den Bierkönig brauche ich nicht.»
15 treue Anhänger fürs Konzert
Nur wenige Meter entfernt sitzt in einer offenen Kneipe einer, der den Bierkönig sehr wohl braucht. Deshalb hat Party-Sänger Peter Wackel es sich auch nicht nehmen lassen, die ersten Mallorca-Gäste persönlich zu begrüssen: Mit einem Blumenstrauss stand er vor dem geschlossenen Bierkönig, der keine hundert Meter vom Riu Concordia entfernt liegt und auf dessen Bühne er normalerweise mit Stimmungsmusik unterhält. Am Montag waren es nun viel weniger: Rund 15 treue Anhänger hatten sich dank entsprechender Ankündigung auf Facebook um Wackel versammelt.
Solange seine Wirkungsstätte geschlossen bleibe, kehre er nun eben zurück zu seinen Wurzeln: Vor 20 Jahren sei er auch den Strand entlang getingelt und habe vor den Sonnenbadenden gesungen. Vor allem seinen ersten grossen Hit werde er wohl anstimmen, der sieben Jahre nach dem Erscheinen «wieder sehr an Aktualität gewonnen hat": «Scheiss drauf, Malle ist nur einmal im Jahr...»
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