Ausbruch nach Quarantäne und TestsWie Corona in die Antarktis kam – und was dabei optimistisch stimmt
Auf einer Forschungsstation steckten sich mehrere Geimpfte mit Covid an – nach langer Quarantäne und vier PCR-Tests. Der Ausbruch hat auch eine positive Begleiterscheinung.

Corona hat es nun an einen der abgelegensten Orte der Welt geschafft: Eine isolierte Forschungsstation auf dem antarktischen Festland. Bemerkenswert ist daran aber nicht der Ausbruch selber, sondern wie sich das Virus ins ewige Eis geschlichen hat – und wie die Menschen damit umgingen.
Ereignet haben sich die Ansteckungen auf der belgischen Forschungsstation Princess Elisabeth Antarctica (PEA). Diese ist für sich bereits aussergewöhnlich, es ist die erste energieautonome Station des Kontinents, der Strom wird ausschliesslich aus Sonnenlicht und Wind generiert (mehr dazu im Kasten). Im Dezember erhielt die CO₂-neutrale Forschungsbasis das erste elektrisch betriebene Raupenfahrzeug, doch für die grossen Schlagzeilen sorgte der eigentlich unerwartete Covid-Ausbruch.
Unerwartet, weil rigorose Sicherheitsmassnahmen getroffen wurden, um genau das zu verhindern. Die Forschenden und Mitarbeitenden aus Belgien, Grossbritannien, Irland, USA, Kanada, Frankreich, Deutschland und der Schweiz mussten in eine zehntägige Quarantäne und sich insgesamt viermal testen lassen. Die vielen Tests waren aufgrund der verschiedenen Flugreisen notwendig: Ein PCR-Test war vor dem Abflug im Heimatland fällig. Der zweite folgte am fünften Tag der Quarantäne in Kapstadt, Südafrika. Vor dem Weiterflug wurde ein weiterer PCR-Test gemacht und auch auf der Forschungsstation folgte am fünften Tag ein weiterer Abstrich.
Hinzu kommt, dass alle Mitarbeitenden und Forschenden mindestens doppelt geimpft sein müssen, eine Person habe vor der Abreise sogar bereits den Booster erhalten, sagt Joseph Cheek, Projektleiter sowie Wissenschafts- und Kommunikationschef bei der International Polar Foundation, welche die Station betreibt. Am 9. Dezember 2021 kamen die ersten Crew-Mitglieder in der Basis an, am 14. Dezember führte das medizinische Personal den obligaten letzten Test durch. Alle waren negativ, alles sah gut aus.
Aber nur einen Tag später begann der Ausbruch, der erste positive Test wurde registriert, wie Cheek sagt. In der Folge seien insgesamt 11 von 30 Menschen auf der Station angesteckt gewesen, erklärt der Projektleiter.
In den Medien kursierten schnell andere Zahlen, 16 von 25 Geimpften sollen angesteckt sein, hiess es in Dutzenden Artikeln und Meldungen rund um den Globus. «Wir haben keine Ahnung, warum einige Medien berichteten, zwei Drittel des Personals oder 16 Personen hätten Covid. Sie haben nicht einmal die Anzahl der Personen, die sich derzeit in der Station aufhalten, richtig angegeben», sagt Cheek dazu und fügt an: «Das passiert, wenn man der Schnelligkeit bei der Veröffentlichung einer Geschichte Vorrang vor der Genauigkeit einräumt.»
Tatsächlich befinden sich derzeit gemäss der International Polar Foundation 22 Mitarbeitende und acht Forschende auf der Station. Und Cheek betont: «Der Ausbruch war für die Leute vor Ort wirklich nicht dramatisch.» Die meisten hätten etwas Halsschmerzen gehabt, manchmal seien leichtes Fieber, etwas Erschöpfung oder selten Kopfschmerzen dazugekommen. Die Infizierten wurden isoliert, und gemäss dem Projektleiter blieben alle in der Station ruhig und professionell, die Leute hätten alle jahrelange Erfahrung mit Extremsituationen.
Nach den durchwegs milden Verläufen erholten sich die Leute schnell und die Tests fielen bald wieder negativ aus, wie Cheek sagt. Acht der elf Genesenen arbeiten immer noch auf der Station. Drei reisten kurz vor Weihnachten mit einem geplanten Flug wieder nach Hause, nachdem sie symptomfrei gewesen waren und negative Testresultate erhalten hatten.
Das restliche Personal der Station wurde nicht infiziert, der Ausbruch scheint mittlerweile wieder vorbei zu sein. Niemand der Leute vor Ort wolle mit dem nächsten Flug vom 12. Januar abreisen, sagt Cheek. Und von den neuen Mitarbeitenden und Forschenden, die dann ankämen, habe keiner den Aufenthalt in der PEA absagen wollen. Zu wertvoll ist die Arbeits- und Forschungszeit auf der Prinzessin-Elisabeth-Station.
Wie Corona nun genau auf die Station gekommen sei, sei noch nicht nachgewiesen, das werde nun untersucht, sagt Cheek. Die wahrscheinlichste Option ist eine Ansteckung auf dem Weg von Kapstadt in die Antarktis. Zwar wurde auch die Flug-Crew getestet und es galt immer strikte Maskenpflicht, eine Übertragung beim Transfer oder am Flughafen wäre aber möglich gewesen.
Auch eine Infektion in der Hotelquarantäne kurz vor dem Weiterflug ist nicht auszuschliessen, gerade mit Omikron. Die neue Variante breitete sich Anfang Dezember, als das Antarktis-Personal in Quarantäne war, in Südafrika in rasantem Tempo aus. Diese damals massive Welle half dem Virus womöglich, auf einen Mitarbeiter oder eine Wissenschaftlerin übertragen zu werden.
Auch in Hongkong konnten in einem Quarantänehotel Omikron-Infektionen nachgewiesen werden, es war dies vor einigen Wochen eines der ersten Indizien, dass die neue Variante viel ansteckender sein könnte als Delta. Beim Antarktis-Ausbruch zeigt sich dies zwar auch, andererseits wurden auf der Station «nur» elf Personen positiv getestet, die Mehrheit blieb also unversehrt, obwohl die Menschen auf der Forschungsstation zusammenleben. Und obwohl gemäss Cheek nur eine Person geboostert war, die übrigen hatten also erst zwei Impfdosen erhalten. Was offenbar ausreichend Schutz bot.
Optimistisch stimmt auch, dass der Ausbruch auf der Forschungsstation im ewigen Eis keinerlei Probleme für die Geimpften darstellte. Die Impfdurchbrüche verursachten nur milde Verläufe, von den beschriebenen Symptomen her ist jede saisonale Erkältung weitaus lästiger, als die Covid-Erkrankungen auf der Antarktis-Station waren.
Auf die Gesamtbevölkerung übertragen lässt sich dies allerdings nicht eins zu eins, denn die Mitarbeitenden und Forschenden in der Antarktis müssen für ihren Einsatz einige medizinische Tests bestehen und somit bei guter Gesundheit sein. Ausserdem gehören die meisten Personen zu einer eher weniger durch Covid gefährdeten Altersgruppe.
Andreas Frei ist seit 2017 Online-Sitemanager und Nachrichtenjournalist in der Redaktion Tamedia.
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