Wie die Villa Wolfer zur 18er-WG wurde
In der Villa Wolfer am Rosenberg haust eine 18-köpfige Studenten-WG mit Panorama auf die ganze Stadt. Es begann mit einer Hiobsbotschaft.
Zwei Dobermänner springen ans Tor und fletschen die Zähne, als die Gegensprechanlage knackt und der Butler Einlass gewährt. So herrschaftlich thront die Villa Wolfer am Waldrand des Lindbergs über der Stadt, dass sich im Kopf kurz dieser Film abdreht, steht man davor. Stattdessen öffnet eine adrette junge Frau die Tür und strahlt. «Hereinspaziert!» Sabrina (26) ist die gute Seele der 18er-WG, die vor eineinhalb Jahren hierhin umgezogen ist, von Zürich nach Winterthur, vom Luxushotel in die Nobelvilla. 150 Studenten wurde damals gekündigt, die zur Zwischennutzung ein Zimmer im ehemaligen Hotel Atlantis beim Zürcher Triemli belegt hatten. Ihr damaliger Vermieter, der Immobilieninvestor Werner Hofmann, überbrachte nebst der Hiobsbotschaft auch ein gute: Unter anderem hat er mit der Villa Wolfer beim Kanton grosszügigen Ersatz für sie gefunden. Heute teilen sich dort 18?Studenten und frischgebackene Abgänger 30 Zimmer und 1000 Quadratmeter. Sie leben hier günstig. Die Mieten liegen zwischen 350 und 650 Franken pro Zimmer. Dazu kommt der Umschwung. «Im Sommer können wir auf der eigenen Wiese Fussball auf zwei Tore spielen», sagt Sabrina. So gross wie ein Sechzehner ist auch das Entrée, das wie ein begehbarer Schuhschrank wirkt. Über achtzig Paar Schuhe türmen sich auf dem Boden und in zwei Regalen.Wenige Stufen später steht man im ersten Quergang der Villa, die einst ein Sulzer erbauen liess (siehe Kasten). Die Einzelzimmer reihen sich hier Tür an Tür. Es ist ruhig. Stimmen dringen lediglich aus der WG-Küche zwei Stöcke weiter oben nach unten. Wir nehmen nicht die zweiläufige Haupttreppe, sondern weichen auf einen Nebenflügel aus. «Hier durfte früher das Dienstpersonal verkehren», erklärt Sabrina.
Wer macht hier was?
Am Küchentisch sitzen fünf WG-Gspänli, trinken Wein in schummrigem Licht und zu leisem Old School Hip-Hop. Das Gespräch, erst ungezwungen und entspannt, entwickelt sich rasch zur Diskussion. Darüber, wie vertieft man Primarschüler über Ursprung und Hintergründe von Weihnachtsliedern oder Bräuchen wie Halloween aufklären sollte. Es sitzen eine angehende und zwei Lehrerinnen am Tisch. «Eine Konstellation, die selten vorkommt», sagt die Zürcherin Selina (21), die seit fünf Monaten hier wohnt. Auch das mache den Reiz der Villa-WG aus. «Ein Elektroingenieur, zwei Architekten, zwei Psychologinnen, ein Jurist?...?» So genau überblickt das hier keiner. Für jedes Problem finde man hier einen Experten. Im Schnitt alle drei Monate gibt es zudem einen Wechsel. Bewerber wählt die WG kollektiv, interne Probleme klärt sie alle drei Wochen beim gemeinsamen Familienrat. Nicht jedes Traktandum lässt sich so angenehm verhandeln wie das letzte, den Freizeitraum im Keller aufzuwerten. Das leidige Thema «Ämtliplan» ist inzwischen abgehakt. Eine WG-interne Equipe putzt zum Stundentarif. «Es funktioniert, endlich!», sagt Sabrina. Gestritten werde aber generell wenig. «Wer hier einzieht, ist kein intoleranter Eigenbrötler. Er lässt sich bewusst auf ein Experiment ein.» Eine Führung durch die fünf Stockwerke macht deutlich: Es fehlt hier an nichts. Wer Bäder mit dekorierter Keramik und Fliesen aus Marmor erwartet, wird enttäuscht. Im Untergeschoss sind in getrennten Räumen je drei Kabinen mit Duschen und Toiletten installiert, im Gang neben der Küche zwei Zimmer mit Kühlschränken zugestellt. Die Einrichtung ist einfach. Auch schrille Bilder oder Statements an den Wänden fehlen. «Hier haben wir leider keinen Spielraum», sagt Sabrina. Das Haus ist denkmalgeschützt, und 2018 läuft der Mietvertrag aus. Rauschende Partys feiere man daher eher selten. Gemeinsame Abstecher zum Grillieren an den Walcheweihern nebenan passen schon eher zum Karma der unaufgeregten Zürcher Export-WG auf Zeit über den Dächern der Stadt.
Fehler gefunden?Jetzt melden.
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch