Man will den Grünen ja nicht zu nahe treten, das war ein fantastisches Wahlresultat, ein historisches sogar. Doch was seither geschehen ist, während dieser langen vier Wochen seit dem Wahlsonntag, das war das Gegenteil von aufregend. Das war sogar ziemlich schlecht.
Dass es die Partei ihren Wählerinnen und Wählern schuldig ist, zumindest für den Bundesrat anzutreten, dass das eine Frage der Glaubwürdigkeit ist, war schon am Wahlsonntag klar. Dass die Partei danach vier Wochen und einen Tag benötigt, um zu entscheiden, ob sie tatsächlich und jetzt schon und ernsthaft in die Regierung gewählt werden möchte, wirkt darum seltsam. Sehr seltsam.
Ist das nur eine jener Kandidaturen, mit denen man ehrenvoll scheitern will, damit man sich danach vier Jahre darüber beklagen kann?
Es wirkt so seltsam, dass man sich durchaus die Frage stellen darf: Wollen die das wirklich? Oder ist das nur eine jener Kandidaturen, mit denen man ehrenvoll scheitern will, damit man sich danach vier Jahre darüber beklagen kann?
Vor allem, weil ja schon am Wahlsonntag klar war, dass bei Lichte betrachtet nur wenige innerhalb der Partei für eine Kandidatur infrage kommen. Im Grundsatz nur eine: Regula Rytz, die Parteichefin. Sie hat Exekutiverfahrung aus ihrer Zeit im Berner Gemeinderat, sie kennt den Bundeshausbetrieb in Bern, sie ist das Gesicht des grünen Wahlerfolgs. Sie ist die logische Kandidatur. Sie war schon vor vier Wochen die logische Kandidatur.
Rytz muss zeigen, dass da noch mehr ist
Weil Rytz aber so lange mit der Bekanntgabe ihrer Kandidatur gewartet hat, bleibt jetzt nur noch sehr wenig Zeit, um zu zeigen, wie ernst es ihr und den Grünen mit der Kandidatur überhaupt ist. Dabei reicht es nicht mehr, sich auf das Klimathema zu beschränken. Dass Rytz in diesem Dossier Kompetenzen mitbringt, dass viele Leute genau aus diesem Grund die Grünen gewählt haben – geschenkt.
Vielmehr muss Rytz zeigen, dass da noch mehr ist. Wäre eine allfällige Bundesrätin Rytz bereit, sich hinter das von den Grünen bisher abgelehnte Rahmenabkommen mit der EU zu stellen? Den Kauf von Kampfjets mitzutragen? Wie sehen die Grünen die Zukunft der Schweiz in Europa? Gibt es mit den Grünen im Bundesrat eine AHV-Revision und eine Erhöhung des Frauenrentenalters? Wie federt man die Folgen des Klimawandels sozial ab? Wie staatstragend will sich die Partei jetzt geben, wie oppositionell muss sie noch sein?
Rechnerisch haben die Grünen Anspruch auf einen Bundesratssitz. Jetzt. Doch bei einer Bundesratswahl geht es um mehr als um Arithmetik. Es geht um Konkordanzfähigkeit, um Inhalte, um die Stabilität des Landes. Es spielt auch keine Rolle, ob Ignazio Cassis der bessere Bundesrat oder Regula Rytz die bessere Bundesrätin wäre. Entscheidend ist nur, ob die Grünen die anderen Parteien von ihrer Ernsthaftigkeit überzeugen können. Noch bleibt dazu etwas Zeit. Genau zwanzig Tage.
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Will Regula Rytz wirklich?
Die Präsidentin der Grünen kandidiert für den Bundesrat. Es war allerhöchste Zeit!