Heile Welt an der Hauswand
Der Winterthurer Fotograf Fabian Stamm hatin Irans Hauptstadt Teheran vor die Fassaden geblickt, um dahinter zu schauen.

In Teheran ist die Stadtverschönerung Fassade, und das soll sie auch sein. In bunten Farben lässt die Stadtverwaltung prachtvolle Paläste, idyllische Bergdörfer und verspielte Blumengärten auf die Mauern der Wohnblöcke malen. Dass in der durch Landflucht explodierten Acht-Millionen-Metropole, in der Autos ohne Katalysator fahren, die Realität vor den Fassaden eine ganz andere ist als die auf den Wänden – ein gefundenes Fressen für einen Fotografen.
Bei Fabian Stamm, in Schaffhausen geborener Fotograf mit Büro im Neuwiesenquartier und Wohnung in Töss, machte es sofort klick, als ihn 2014 eine private Reise nach Teheran führte. Zweimal kehrte er zurück in die Häuserschluchten, die Kamera im Anschlag. «Ein paarmal bin ich schon gefragt worden, was ich hier mache», berichtet der 35-Jährige über das Fotografieren im Gottesstaat. Mit Bemerkungen über in der Schweiz verwendete Kameras zog er sich aus der Affäre. Verboten ist das Fotografieren öffentlicher Gebäude.
Schwierige Geldsuche
Aus Stamms Bildmaterial ist ein gut 90-seitiges Buch in einem Schaffhauser Kleinverlag entstanden, das die Fotografien mit Essays des früheren SRF-Korrespondenten Werner van Gent und der Frauenfelder Kunstwissenschafterin Miriam Waldvogel ergänzt. An der Vernissage an der Paulstrasse wurden am Samstag die ersten von 600 Exemplaren aus der Folie genommen.
Dass die teils schon an der Jungkunst 2015 gezeigten Fotografien erst jetzt als Bildband erscheinen, wird mit dem schwierigen Eintreiben von Fördergeldern erklärt. Am Ende trugen der Kanton Schaffhausen, Winterthur und eine private Stiftung zum Gelingen bei.
Persönlich, etwas zufällig
Bei aller Konventionalität sind die Wandbilder Teherans von einer eigenwilligen Ästhetik, und reizvoll ist das Spiel des Fotografen mit Illusion und Realität. Anstatt sich naheliegenderweise auf diese Motive zu beschränken, stellte man im recht kleinformatigen Buch Bilder von Hinterhöfen dazu und vom Strassengrill, düstere Stadtpanoramen und bunte Strassenszenen, was dem Band eine persönliche Note, aber auch eine gewisse Beliebigkeit gibt. Es sei die Vielfalt der Widersprüche, die ihn interessiere, sagt dazu der Fotograf. Teheran scheint die Kontraste für den ausländischen Fotografen regelrecht zu inszenieren, so im Museum der heiligen Landesverteidigung, wo ein zerschlagenes Bett in einem bombardierten Haus – ein Exponat – sich der glänzenden Eingangshalle gegenüberstellen lässt.
Die beherrschende Erinnerung Stamms an Irans Hauptstadt ist die an Abgase und Dreck. Davor kapituliert offenbar selbst das Stadtverschönerungsamt. «Statt den Ort wirklich aufzuwerten», meint der Fotograf, «zum Beispiel durch eine Beruhigung des Verkehrs, verziert man nur die Fassaden.» Nicht ohne Ironie ist dabei, dass die aufgemalte heile Welt an der realen Welt zugrunde geht: Auf die Wandbilder legt sich ein Dreckfilm, der es nötig macht, die Mauern zu putzen und neu zu bemalen. (Landbote)
Erstellt: 04.12.2018, 09:35 Uhr
Zum Buch
Fabian Stamm: Tehran Paradise – Fassaden einer Stadt. Edition Vogelfrei. 96 Seiten, 30 Franken.
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