Untersuchung der JustizdirektionWo der Impfnachweis Ärger macht und für wen er ein Segen ist
Die Gastronomen im Kanton Zürich stehen dem Covid-Zertifikat skeptisch gegenüber. Doch dort wo der Bund dieses zwingend fordert, freut man sich darauf.

Droht wegen des Impf-Nachweises eine Zweiklassengesellschaft? Im Auftrag der Zürcher Regierungsrätin Jacqueline Fehr (SP) hat eine Gruppe Ethikerinnen und Juristen sich dem Thema gewidmet und dabei Vertreterinnen und Vertreter verschiedenster Branchen aus dem Kanton Zürich mit einbezogen, wie die NZZ schreibt.
Die Idee vom Bund: Das Land wird in drei Farben aufgeteilt, Grün, Orange und Rot. Im grünen Bereich – das sind Orte des täglichen Lebens, also Läden oder der Arbeitsplatz – hat das Covid-Zertifikat nichts verloren. Im roten Bereich ist der Impfnachweis hingegen Pflicht– bei internationalen Reisen oder bei Grossanlässen und in Discotheken. Orange sind Orte bezeichnet, die von vielen Menschen besucht werden, aber nicht jeden Tag – die Bar, das Restaurant, der Vereinsanlass, der Sportbetrieb. Hier ist das Zertifikat freiwillig, es kann eingesetzt werden um Schliessungen zu verhindern.
Schulen und Gastronomie skeptisch
Fehrs Analyse zeigt: Viele Branchen im Kanton stehen dem Covid-Zertifikat skeptisch gegenüber. Vorallem im «orangen Bereich», wenn sie damit also auf Schutzkonzepte verzichten könnten. Besonders die Gastronomie. Ihre Vertreter sind sich praktisch einig: Das Zertifikat sei weder praktikabel, noch kontrollierbar. Auch geht man in der Branche davon aus, dass im Herbst ein Grossteil der Bevölkerung geimpft sein wird und die Kontrolle deshalb überflüssig. Den Nachweis für eine so kurze Zeit einzuführen, erachten sie darum nicht als sinnvoll.
Schulen und Universitäten wollen generell keine Studierenden von Lehrveranstaltungen ausschliessen. Die Jugendarbeit, Jugendverbände und -sport können sich einen Einsatz des Zertifikats höchstens bei unregelmässigen Veranstaltungen wie Lagern oder Konzerten vorstellen. Kaum akzeptiert wird der Einsatz des Zertifikats auch bei religiösen Veranstaltungen oder im öffentlichen Verkehr.
Auch in der Langzeitpflege, in Spitälern und im Justizvollzug will man das Besuchsrecht von Angehörigen nicht antasten. Hier soll das Zertifikat nicht zum Einsatz kommen. Die Frage, ob jemand geimpft ist, hat im Gefängnis jedoch bereits heute Einfluss: Die Quarantänepflicht für geimpfte Inhaftierte nach einem Hafturlaub wurde teilweise aufgehoben.
Tourismus und Sport sehen fast nur Vorteile
Die Branchen, welche das Zertifikat gemäss Bundesrat zwingend einsetzen müssen (roter Bereich) äussern sich hingegen mehrheitlich positiv: So erhoffen sich Hotellerie und Tourismus damit eine Rückkehr zum normalen Betrieb ohne Einschränkungen und Schutzkonzepte; und damit eine Rückkehr zur Rentabilität. Auch die Klubs und Diskotheken wollen lieber nur Gäste mit Zertifikat als gar keinen Betrieb. Sie rechnen allerdings damit, rund 30 Prozent der Kunden abzuschrecken mit der Massnahme. Für Sportvereine ist der Einsatz des Impfnachweises aus doppelter Hinsicht wichtig: Mehr verkaufte Tickets lassen auch die Erträge von Sponsoren steigen.
Grossveranstaltungen und Messen freuen sich, dass mit Zertifikat ein Betrieb ohne Kapazitätseinschränkungen möglich wird. Kulturbetriebe – speziell Oper und Theater mit ihrem eher älteren Publikum – begrüssen, dass die Absicherung per Zertifikat für Besucher die Gesundheitsrisiken minimieren.
Einsatz nur für kurze Zeit verordnen
«Das Covid-Zertifikat ist weder schrecklich noch wunderbar», so das Fazit von Rechtsprofessorin Andrea Büchler in der NZZ. Sie war an der Untersuchung massgeblich beteiligt. Weil Tests eine echte Alternative zur Impfung darstellten, also ebenfalls zu einem Zertifikat berechtigen, stehe auch die Frage der Ausgrenzung weniger im Vordergrund.
Schaden nehmen könne allerdings das Verhältnis zwischen Dienstleistern und ihren Kundinnen und Kunden, so Büchler. «Dann, wenn Betriebe diese plötzlich kontrollieren müssen.» Der Einsatz des Zertifikates solle deshalb nur mit grosser Zurückhaltung verordnet werden und nur für eine möglichst kurze Zeit.
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