Archäologische EntdeckungWoher der Goldschatz aus Troja stammt
Das Gold des berühmten Fundes aus Troja kommt nicht aus der Region, wo er gefunden wurde. Offenbar tauschten die Menschen in der Bronzezeit über Tausende von Kilometern Edelmetalle aus dem Kaukasus.

Am Ende passte die Lösung für ein 150 Jahre altes Rätsel einfach ins Handgepäck. Es war im Jahr 1870, als Heinrich Schliemann begann, eine der bekanntesten Geschichten der Archäologie zu schreiben: die Entdeckung der bronzezeitlichen Stadt Troja. Höhepunkt seiner Ausgrabungen war ein Depotfund von rund 8000 Artefakten. Schmuck, Besteck und Dekor aus Gold, Silber und Kupfer, ein Schatz von unermesslichem Wert.
Woher hatten die Trojaner nur diese Mengen an Gold? Jetzt scheint ein internationales Forscherteam die Antwort darauf gefunden zu haben. Schlüssel zum Erfolg war ein tragbarer Laser, der sich in einem handlichen Koffer transportieren liess. Bei der Laserablation wird eine Oberfläche mit gepulster Laserstrahlung beschossen – das gilt als schonendes Verfahren. Ihre Ergebnisse haben die Forschenden nun in der Fachzeitschrift «Journal of Archaeological Science» veröffentlicht. Das Edelmetall stammte demnach weder aus Troja selbst noch aus der näheren Umgebung. Vielmehr fanden die Forscher Hinweise darauf, dass die Menschen Gold über Tausende Kilometer transportierten. Und auch die Sumerer in Ur in Mesopotamien bezogen ihr Gold aus derselben Quelle.
Lange galt der Schatz als verschollen
Um den Goldschatz aus Troja rankten sich seit seiner Entdeckung viele Fragen. Die erste war die nach dem Alter. Sie wurde schon 1890 beantwortet. Heinrich Schliemann selbst hatte den Fund, Homers «Ilias» vor Augen, kurzerhand zum «Schatz des Priamos» erklärt, ihn also dem aus dem Epos bekannten Trojaner-König zugeschrieben. Das war falsch. Es stellte sich heraus, dass der Schatz 1000 Jahre älter war als angenommen. Er stammte aus der zweiten Hälfte des dritten Jahrtausends vor Christus, also aus der frühen Bronzezeit.

Später lautete die zentrale Frage: Wo ist der Schatz geblieben? Aus Troja war er über Umwege zunächst nach Berlin gelangt. 1945 schaffte ihn die Sowjetunion als Beutekunst nach Moskau, hielt das aber geheim. Das Rätsel um den Verbleib der Sammlung lüftete Russland erst 1994. Seit 1996 wird die trotz der klaren Datierung immer noch als «Schatz des Priamos» bekannte Sammlung im Puschkin-Museum in Moskau ausgestellt.
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler hatten damit zunächst wieder die Chance, die Objekte zu erforschen – allerdings nur eingeschränkt. Insbesondere naturwissenschaftliche Untersuchungen, mit denen die Metalle hätten analysiert werden können, blieben den Wissenschaftlern verwehrt. «Museen erwarten, dass man alles aus den Objekten herausbekommt, aber ohne Zerstörung», erklärt Ernst Pernicka, Wissenschaftlicher Direktor des Mannheimer Curt-Engelhorn-Zentrums Archäometrie und Mitautor der Studie. Diese Vorbehalte machten «eine Beprobung von Goldobjekten unmöglich.» Der hohe Wert der Stücke, Fragen der Konservierung und des Versicherungsschutzes verhinderten auch den Transport solcher Artefakte in ein Labor. Von der politischen Dimension ganz zu schweigen.
Goldstaub in Flüssen
Diese Hürden konnten die Forscher nun mit einem tragbaren Laser überwinden. Bei der Laserablation, auch Laserverdampfung genannt, kann Material sehr präzise abgetragen werden. Die Löcher in den Goldstücken sind winzig und für das blosse Auge nicht zu erkennen. «Die Grösse der Objekte hat uns daher nicht limitiert», sagt Moritz Numrich, der als Physiker und Althistoriker die Goldproben entnommen hat. «Und es hat natürlich den Vorteil, dass wir mit dem Gerät in die Museen hineingehen können.» Auch die Genehmigungen für diese Arbeit seien meist problemlos.
Die Forschenden untersuchten mittels Massenspektrometrie, woraus sich das trojanische Gold zusammensetzt.
Das Curt-Engelhorn-Zentrum ist die einzige Institution, die mit einem tragbaren Laserablationsgerät archäologische Metallobjekte untersucht. «Das ist unser Alleinstellungsmerkmal», so Pernicka. Die in Moskau genommenen Proben brachte das Team ins Zentrum nach Mannheim. Zusammen mit weiteren Proben aus dem ebenfalls frühbronzezeitlichen Schatz von Poliochni, einer Siedlung auf der griechischen Insel Lemnos, untersuchten die Forschenden mittels Massenspektrometrie, woraus sich das trojanische Gold zusammensetzt.
Da historischer Goldschmuck immer auch andere Metalle wie Silber, Zinn, Palladium, Platin oder Kupfer enthält, konnte das Team auf Basis dieser Legierung vergleichbare Profile erstellen. Die insgesamt 61 Artefakte aus Troja und Poliochni sprachen eine eindeutige Sprache: «Das chemische Profil ist ausserordentlich ähnlich», so Pernicka. Die meisten Proben hatten demnach dieselbe geologische Quelle: eine sogenannte sekundäre Goldlagerstätte. Das heisst, dass das Gold in Form von Goldstaub oder kleinen Körnern aus Flüssen herausgesiebt wurde.
Proben aus dem nordsyrischen Ebla
Da Lemnos unweit von Troja liegt und es damals in der Region bekannte Goldvorkommen gab, hatte das Ergebnis zunächst niemanden verwundert. Als die Chemiker jedoch ihre Arbeit mit publizierten Daten anderer Goldobjekte aus der frühen Bronzezeit verglichen, waren sie überrascht: Das Material konnte nicht aus der Nähe von Troja stammen. Das verriet vor allem der unterschiedliche Platin- und Palladium-Gehalt. «Das sind die Masse in der Goldanalytik, die am besten einen Vergleich zulassen», erklärt Moritz Numrich.
Vielmehr hätten die Objekte erstaunliche Ähnlichkeiten mit Proben aus dem nordsyrischen Ebla und der mesopotamischen Stadt Ur aufgewiesen. Das verwendete Gold für die Schmuckstücke aus vier verschiedenen Städten hat demnach denselben Ursprung. Auf Basis aller zur Verfügung stehenden Daten geht das Forscherteam nun davon aus, dass es aus dem Südkaukasus stammte. Der identische Anteil von Platin und Palladium in Goldplättchen von Halsketten gleicher Machart, die an unterschiedlichen Orten gefunden wurden, weisen zudem auf eine Serienproduktion hin.
Mit kostbaren Waren beschenkt
Dass es bereits in der frühen Bronzezeit weite Netzwerke gab, durch die Güter getauscht wurden, vermuten Archäologen schon länger. Die Arbeit der Chemiker stützt diese bisher eher spekulative These. Ernst Pernicka warnt aber davor, bereits den Terminus «Handel» zu benutzen: «Es hat sich eher um ein Austauschsystem gehandelt.»
Die Eliten verschiedener Stadtstaaten seien untereinander bekannt gewesen und hätten sich in Form von kostbaren Waren gegenseitig beschenkt. Dazu nutzten sie offenbar schon vor 4500 Jahren Tausende Kilometer weite Netzwerke. Ausnahmsweise lag dem mal nicht der Profitgedanke zugrunde. Es ging um Prestige.
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