Kolumne «Lomo»Zahnholz, Milch und die Liebe zu Lausanne
Der «Landbote»-Kolumnist kommt sich in Lausanne immer eleganter und weltmännischer vor als in Winterthur. Das liegt auch an der Sprache.

Da diesen wie schon letzten Sommer die geplanten Auslandsferien mit der Familie ins Wasser bzw. in Corona-Unsicherheiten fielen, verlegen wir uns auch diesen Sommer auf kleinere Ausflüge. So war ich vergangene Woche mit meinem älteren Sohn für zwei Tage in Lausanne. Darauf hatte ich mich schon lange gefreut. Lausanne ist ja so was wie ein Sehnsuchtsort von mir, obwohl (oder vielleicht gerade weil) es ja so gar nicht weit weg ist.
Mich fasziniert das an der Schweiz immer wieder aufs neue: dass man in einen Zug steigen, drei Stunden fahren und dann an einem Ort aussteigen kann, der sich so anders anfühlt, als habe man eine grosse Reise hinter sich. Woran das wohl liegen mag, dass ich mir in Lausanne immer so viel eleganter und weltmännischer vorkomme als in Winterthur?
Sicher ist daran auch die französische Sprache schuld, die selbst banale Alltäglichkeiten so schön zu veredeln weiss. Ich meine, schauen Sie sich doch nur einmal die französischen Bezeichnungen von Haushaltswaren an: Die schnöden Zahnhölzer mit Aminfluorid in meinem Badezimmerschränkchen zum Beispiel präsentieren sich in der französischen Version als exquisite «bâtonnets interdentaires au fluorure d’amines». Ein Ausdruck, zugegeben, den man nicht tagtäglich braucht und auch im Französischen wohl normalerweise doch eher durchs prägnantere «cure-dents» ersetzt wird. Trotzdem: Wie schön ist es, in einem Land leben zu können, in dem die Welt der Zahnhölzer nur eine Zugfahrt von der Welt der «bâtonnets interdentaires» entfernt liegt?
Überhaupt habe ich ja den Verdacht, dass die mehrsprachigen Ausdrücke auf unseren Verpackungen auch eine gezielte Tourismusstrategie sind, um deutschschweizerische Konsumentinnen und Konsumenten in die Romandie zu locken. Mich jedenfalls packt schon am Frühstückstisch die Sehnsucht nach frankofonen Landesteilen, wenn ich mir die Packung der Milch anschaue, die ich in meinen Kaffee giesse. Dass dieser Effekt auch umgekehrt funktioniert, scheint mir indes unwahrscheinlich: Wer will schon wohin, wo man so schäbige Anglizismen wie «Milch-Drink» verwendet, während es in Lausanne «lait partiellement écrémé» gibt? Ausserdem gibt es in Lausanne einen Zehnmeter-Sprungturm in der Seebadi – aber davon erzähle ich ein andermal.
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