Kolumne StadtverbessererZermürbt und gezähmt
Der Stadtverbesserer hatte ein eisernes Prinzip: Sicher zahle ich nichts für einen Veloparkplatz! Jetzt ist er eingeknickt.

Eigentlich haben die ganzen schimpfenden Autofahrer ja recht. Velofahrer halten sich tatsächlich nicht gern an Regeln. Wer radelt, fühlt sich als Anarchist. Fährt durch die Fussgängerzone, nutzt Trottoirs, um Ampeln zu umfahren, und stellt sein Vehikel am liebsten direkt neben die Eingangstür oder das Perron. Die Freiheit nehme ich mir, denkt sich der Velofahrer keck – schliesslich bin ich ja so klimaschonend und sympathisch.
Wo dem Velofahrer sein Lieblingsparkplatz verwehrt wird, kocht die Volksseele. So passiert beim wettergeschützten Neuwiesen-Eingang. Auch der Stadtverbesserer trägt eine unerschütterliche Anspruchshaltung in sich. Sein eisernes Prinzip, das er über 30 Jahren verteidigt hat: Sicher zahle ich nichts für einen Veloparkplatz!

Allerdings wurde dieser Grundsatz immer schwieriger einzuhalten. Rund um den Hauptbahnhof hat die Stadt die Velo-Anarchie stark zurückgebunden. So schoss es dem Stadtverbesserer in den Ferien in der Toskana plötzlich nervös durch den Kopf: Habe ich mein Velo am HB im 48-Stunden-Parkplatz stehen lassen, wo die Polizei es einsammelt?
Weil moderne Veloständer kein Dach haben, rostete sein Stahlrenner nach jedem Regenguss munter vor sich hin. Der Sattel durchnässte noch am nächsten Morgen Hose und Unterhose. Etwa alle drei Monate war ein neues Rücklicht fällig, weil Lausbuben es vom parkierten Velo klauten. Und zu schlechter Letzt wurden dieses Jahr viele oberirdische Parkplätze an der Rudolfstrasse aufgehoben.
Fünf Minuten später war die Story zur Sau – und auch der dreissigjährige Vorsatz.
Als ein Leser neulich behauptete, die Handy-App für die unterirdischen Velostationen sei ein Murks, dachte der Stadtverbesserer: Das probiere ich doch gleich mal aus. Fünf Minuten später hatte er ein Jahresabo gelöst, völlig problemlos und flüssig. Die schöne Story war zur Sau. Und ebenso der dreissigjährige Vorsatz.
Nun parkiert der einst anarchische Göppel sicher, trocken und videoüberwacht zwischen E-Bike-Spiessern. Ich bin jetzt einer von ihnen, denkt sich der Stadtverbesserer leicht verschämt, aber mit trockenem Hosenboden.
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