«Schlappe des Verwaltungsgerichts»Zuger Richterin arbeitet nach Kantonswechsel an 36 Urteilen weiter
Eine Zuger Richterin hat nach ihrem Kantonswechsel noch an 36 Urteilen mitgewirkt, ohne den Umzug ihrem Arbeitgeber mitgeteilt zu haben. Weil der Wohnsitz im Kanton eine Voraussetzung für das Richteramt ist, müssen nun möglicherweise einige Urteile wieder aufgerollt werden.

Es sei richtig, dass die Richterin Ines Stocker am Verwaltungsgericht Zug «noch an 36 Urteilen mitgewirkt hat, nachdem sie ihren politischen Wohnsitz im Kanton Zug bereits aufgegeben hat», bestätigte Aldo Elsener, Präsident am Verwaltungsgericht, auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA entsprechende Aussagen gegenüber dem Online-Nachrichtenportal Zentralplus. Dieses machte die Panne am Samstag publik.
«Dem Gericht wurde der Wohnsitzwechsel erst nachträglich mitgeteilt», zitierte Zentralplus Elsener weiter. Unmittelbar danach habe man interne Abklärungen getroffen und die notwendigen Schritte eingeleitet. Mittlerweile ist der Sitz von Stocker auf der Internetseite des Gerichts als «vakant» angegeben.
Gemäss der Zuger Verfassung sind nur Bürgerinnen und Bürger wählbar, die im Kanton gesetzlich niederlassen und den Schweizer Pass besitzen. In einem Sitzungsprotokoll betont der Regierungsrat ausserdem, dass der Wohnsitz im Kanton auch eine rechtliche Voraussetzung für die Amtsausübung ist.
Fachliche Qualifikation unbestritten
Die von den Urteilen Betroffenen seien inzwischen angeschrieben worden, erläuterte Elsener auf Anfrage von Keystone-SDA. Ihnen stehe nun die Möglichkeit zu, innert dreissig Tagen um eine Neubeurteilung in korrekter Zusammensetzung zu ersuchen. Welche Kosten durch die Panne entstehen und wer dafür aufkommt, ist gemäss dem Gerichtspräsidenten noch unklar. Klar sei aber, dass darunter nicht die Rechtssuchenden leiden dürften.
Zugleich betonte Elsener, die Richterin sei fachlich und menschlich für das Amt jederzeit qualifiziert gewesen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts seien die 36 Urteile zwar anfechtbar, aber nicht nichtig. Bei der Wohnsitzpflicht gehe es nicht um eine primäre fachliche Qualifikation. Sie diene vielmehr dem Anliegen, dass Richterinnen und Richter dem Kanton verbunden sein sollten. Dies halte er durchaus für wichtig und sinnvoll, so Elsener.
Ersatzwahl im September
Der Präsident der Zuger Partei Parat, Stefan Thöni, der in der Affäre recherchiert hatte, sprach in einer Stellungnahme von einer «höchst peinlichen Schlappe des Verwaltungsgerichts». «Die angeblich praktizierte Qualitätskontrolle der Kandidatinnen für Gerichtsämter hat entweder nicht stattgefunden oder gänzlich versagt».
Gemäss dem Regierungsratsbeschluss vom 24. Mai, welcher der Nachrichtenagentur Keystone-SDA vorlag, teilte Stocker dem Verwaltungsgericht am 14. April mit, dass sie wegen des Wohnsitzwechsels in den Kanton Zürich ihr Amt als nebenamtliche Richterin per sofort niederlegen werde. Die Ergänzungswahl für ihre restliche Amtsdauer bis ins Jahr 2024 soll demnach am 25. September stattfinden.
SDA/sys
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