Kolumne LandluftZum Zustand der Schweiz
So schlecht geht es uns nicht, wie an Gemeindeversammlungen klar wird.

Wie es der Schweiz geht, erfährt man am besten an einer Gemeindeversammlung. Hier findet Demokratie in ihrer ursprünglichsten Form statt. Jeder kann vor versammelter Dorfgemeinschaft erzählen, was ihn gerade beschäftigt. Einmal kurz die Hand heben, und schon sind ganze Budgetposten infrage gestellt.
Braucht die Gemeinde wirklich eine neue Strassenwischmaschine? Warum sind für das neue Auto des Brunnenmeisters 100’000 Franken vorgesehen? Oder wieso soll der Parkplatz im Dorfzentrum schon saniert werden, obwohl er noch bestens im Schuss ist – «parkiere schliesslich fast jeden Tag dort»?
Solche Fragen könnten Gemeinderäte in Verlegenheit bringen. Meistens sind diese jedoch gut vorbereitet. Sie kennen ihre Pappenheimer.
Denn in jeder Gemeinde gibt es eine fixe Gruppe von Leuten (meist pensionierte Männer), die es besonders genau nehmen. Sie tragen zum Erfolgsmodell bei. Nur schon ihre mögliche Präsenz führt im Idealfall zu schlankeren, genaueren Budgets. Es könnte ja eine Frage kommen.
Das Erfolgsmodell hat jedoch einen Preis. Immer wieder laufen Wortmeldungen aus dem Ruder. Berichtet wird dann jeweils von persönlichen Erlebnissen, die nur noch am Rand mit dem ursprünglichen Traktandum zu tun haben. Nicht selten glauben Votanten, auf einen Blick zu erkennen, was allen Experten entgangen ist. Sie fordern weitere Abklärungen und neue, bessere Lösungen. Anderen wiederum ist all das viel zu teuer.
Beliebt ist auch die Kritik, dass Gemeinden gar keinen Handlungsspielraum mehr haben (zuletzt in Weisslingen). Alles werde vom Kanton diktiert! Auch darüber kann man natürlich ausgiebig diskutieren – am besten an der Gemeindeversammlung.
Rafael Rohner ist stellvertretender Leiter im Ressort Region Winterthur. Er arbeitet seit 2010 im Journalismus und hat einen Bachelor in Kommunikation sowie einen eidg. Fachausweis als Umweltfachmann.
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